Bildung als Provokation

Liessmann, Konrad Paul, 2017
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Medienart Buch
ISBN 978-3-552-05824-8
Verfasser Liessmann, Konrad Paul Wikipedia
Systematik PP - Psychologie, Pädagogik, Philosophie
Schlagworte Gesellschaft, Bildung, Bildungssystem
Verlag Paul Zsolnay
Ort Wien
Jahr 2017
Umfang 237 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Konrad Paul Liessmann
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Fritz Popp;
Gegen bloß funktionalistische und übersteigerte Vorstellungen von "Bildung". (PN)
Bildung wird heutzutage gerne als universelles Problemlösungsversprechen angepriesen, allerdings nicht Bildung in dem Sinne, wie Konrad P. Liessmann sie versteht. Denn Bildung hat für ihn mit Mündigkeit, Freiheit, Urteilskraft, Belesenheit, Geschichtsbewusstsein, sprachlicher Sorgfalt und Genauigkeit, moralischer Sensibilität und auch ästhetischem Geschmack zu tun. Und nicht bloß mit dem Erwerb von formalen "Kompetenzen", die sich mittels Testverfahren und Rankings messen, vergleichen und darstellen lassen. Gegen diese "grassierende Kompetenzorientierungskompetenz" stellt er seinen provokativen, nicht anwendungsorientierten Bildungsbegriff. In drei Abschnitten setzt er sich aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit der Bildungsdiskussion auseinander: mit der Praxis, mit ästhetischen und kulturellen Aspekten und mit politischen Reflexionen.
Zugrunde liegen den Texten bereits vorliegende Einzelpublikationen in anderen Medien, die allerdings für diesen Band neu bearbeitet wurden. Dem Lesenden wird daher manches schon vertraut sein. Aber die Fülle der Zugänge, der Betrachtungsweisen und der Schärfe der formulierten Gedanken macht auch dieses Buch zu einem provokativen Lese-Erlebnis im besten Sinne. - Gebildeten, Bildungswilligen und an Bildung Interessierten sowie allen im Bildungsbereich Tätigen als Informationssammlung, Denkanstoß, Argumentationshilfe und sprachliches Lesevergnügen sehr gerne empfohlen.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Bildung lässt sich vielleicht mit jenem Kinderspiel vergleichen, das früher analog und politisch unkorrekt gespielt worden ist. "Wer fürchtet sich vorm afrikanischen Mann? - Niemand. - Wenn er aber kommt? - Laufen wir davon."
Konrad Paul Liessmann hat der Philosophie das Unterhaltsame zurückgegeben, ohne dass sie deshalb flach geworden wäre. Die kompliziertesten Ideen verknüpft er mit griffigen Bildern, er fordert den Widerspruch seiner Diskussionspartner heraus, und das Publikum, arg enttäuscht von Konsum und üblicher Unterhaltungsindustrie, entdeckt plötzlich die Neugierde auf das eigene Leben und liegt dem Philosophen weit gestreut zu Füßen.
Bildung als Provokation ist ein philosophischer Ritt durch allerhand Ungereimtheiten der Gegenwart. Das Buch wirkt wie aus einem Guss, und tatsächlich greifen die einzelnen Kapitel, die oft disparat veröffentlicht worden sind, logisch ineinander über. Der Autor liebt diese peripheren Orte, wenn es um Erkenntnis geht, ein Lob über eine kleine Hegel-Abhandlung von Joachim Ritter bedient sich der Fügung: er veröffentlichte diese 1957 "an einem entlegenen Ort". (156)
Diese genauen Blicke, oft an die Peripherie und an die Grenzen des Denkens gerichtet, sind das genaue Gegenteil des Internets, das vielleicht dem Anspruch huldigt: Weil uns nichts Neues einfällt, schreien wir immer nach Innovation.
Die Bildung wird in diesem Reader bei den Hörnern der Anwendung gepackt und zerlegt. Sie ist längst Religionsersatz und Phrase in einem geworden. Wenn etwas auf dieser Welt nicht erreichbar oder erklärbar ist, soll es die Bildung richten.
Dabei gibt es durchaus brauchbare Denkpfade durch den Dschungel an Unwissenheit. Für viele seiner Aufsätze verwendet KPL, wie er in Insiderkreisen liebevoll abgekürzt wird, den Trick, dass er die humanistische Bildung im Gymnasium Villach auf die Gegenwart umlegt. Und die Ergebnisse sind erstaunlich, was die Griechen, gefiltert von der Kärntner Provinz, immer noch Gültiges zur Weltlage zu sagen haben.
Neben dem Schulsystem ist es vor allem Europa, das ständig mit Fragen bedrängt und ohne Antworten geliebt werden möchte. KPL greift für Europa zu einer genialen Hilfsbrücke. Was wäre, wenn man Europa als Kunstwerk begriffe und nach Tönen, Farben und Worten untersuchte? Allein die Farbigkeit oder das Monochrome einer politischen Landschaft erklärt schon nach ästhetischen Überlegungen, wie Europa beschaffen sein könnte.
Die Methode des Autors, regelmäßig in Aufsätzen den philosophischen Alltag des Kontinents abzuarbeiten, ist bestechend. Philosophieren ist vielleicht einfach wie das Gehen, aber sobald man die passenden Wanderschuhe sucht, verdichtet es sich zu einem Lebensgefühl.
Veränderung auf Befehl bringt Konrad Paul Liessmann übrigens zum Lachen. Er denkt dabei an ein Gedicht von Rilke, wonach dem lyrischen Ich beim Anblick eines Torsos die Lust nach Veränderung des Lebens kommen sollte. Beim Philosophieren ist auch das Loslachen erlaubt, wenn etwas für den Tod witzig ist.
Helmuth Schönauer

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